Achtsamkeit im Job: Der Weg zum Glück?

Vernetzt, digital, schnell
Nach der Mittagspause warten im Postfach zahlreiche neue E-Mails auf eine Antwort, da ruft der Chef mit einem dringenden Arbeitsauftrag an. In der Hektik kippt der Kaffeebecher um und die heiße Flüssigkeit verteilt sich über den Schreibtisch. Ein bekanntes Szenario? Die Ansprüche an Konzentration und Aufmerksamkeit in Alltag und Job steigen. Deshalb setzt Audi mit Angeboten rund um das Thema Achtsamkeit bewusste Impulse gegen den Stress.

Martin Steca und Rosa Martin-Agar (r.) im Gespräch.
Im Interview erklären Audi-Organisationsberater Martin Steca und Rosa Martin-Agar, Audi-Beraterin Prozessgestaltung und Gründerin einer Audi-internen Community für Achtsamkeit, warum der Megatrend auch bei Audi immer mehr Anhänger findet – und weshalb dazu keine Räucherstäbchen notwendig sind.
Hand aufs Herz: Ist Achtsamkeit im Alltag eine Mode-Erscheinung oder die neue Glücksformel?
Martin Steca: Es ist weder das Eine noch das Andere. Die Praxis der Achtsamkeit hat eine jahrhundertelange Tradition. Achtsamkeit bedeutet, bewusst im Hier und Jetzt zu sein. Und das ohne zu bewerten und ohne die Gegenwart ändern zu wollen. Das hat nichts mit Esoterik zu tun. Nehmen wir zum Beispiel dieses Interview. Davor und danach habe ich Termine. Die Frage ist: Bin ich mit meinen Gedanken jetzt hier oder denke ich schon wieder an die nächste Veranstaltung? Das entscheidet über die Qualität des Moments.
Rosa Martin-Agar: Das bedeutet, seine Gedanken erstmal zu beobachten, ohne sie zu beurteilen. Einfach nur darauf zu achten, was wir denken. Oft verlieren wir uns in einer unorganisierten Hektik und verschwenden Ressourcen und Energie, weil wir uns gar nicht bewusst machen, worum es eigentlich geht.
Woher kommt der Stress?
Steca: Ich glaube, dass die Digitalisierung dafür mitverantwortlich ist: Ständig bekommen wir eine neue Nachricht auf dem Smartphone, verlieren uns in E-Mails, lassen uns permanent unterbrechen und ablenken.

“Achtsamkeit ist ein wesentlicher Schlüsselfaktor für unsere künftige Arbeitswelt.”
Ist Achtsamkeit im Beruf dann in erster Linie eine Methode, um Stress zu reduzieren, der durch digitale Reizüberflutung und ständige Erreichbarkeit entsteht?
Steca: Achtsamkeit ist ein Gegentrend zur Beschleunigung und eine fundierte Methode. Viele denken bei dem Wort sofort an das Räucherstäbchen – aber das braucht es bei Achtsamkeit überhaupt nicht. Als gelernter Betriebswirt bin ich überzeugt: Achtsamkeit ist ein wesentlicher Schlüsselfaktor für unsere künftige Arbeitswelt. Und es ist eine Möglichkeit, um Stress besser zu bewältigen.
Wie wirkt Achtsamkeit gegen Stress?
Steca: Ich habe festgestellt, dass ich den größten Teil des Stresses in meinem Leben selbst verursache. Es sind vielleicht 20 Prozent, die mein Arbeitsumfeld mich stresst. Die anderen 80 Prozent „produziere“ ich durch meine Gedanken, Bewertungen und Ängste selbst. Die Praxis der Achtsamkeit setzt hier an, diesen Anteil an Stress zu reduzieren. Durch mehr Achtsamkeit entspannt sich mein Leben, ohne dass ich gleich ein neues Arbeitsfeld brauche.

Ruhig bleiben trotz Zeitdruck: Nur 20 Prozent des empfundenen Stresses entstehen durch Stressfaktoren, 80 Prozent durch persönlichen Umgang damit.
Martin-Agar: Stress entsteht durch Angst vor Überforderung und wachsendem Arbeitsvolumen. Erstmal ist Stress neutral. Gefährlich wird es, wenn wir keinen Ausgleich mehr haben. Das ist wie mit Gas und Bremse – beides ist wichtig.
Entsteht denn der Wunsch nach mehr Achtsamkeit im Job oft durch persönliche Krisen?
Steca: Aus meiner Erfahrung hat jeder die Motivation, etwas zu verändern. Das muss nicht gleich eine Krise sein. Manchmal stellen Menschen auch fest, dass sie nicht zufrieden sind und dass es in ihrem Leben eher grau und fad ist. Sie haben den Wunsch, sich wieder lebendiger zu fühlen. In meinen Augen sind Menschen, die sich mehr Achtsamkeit wünschen, meist sehr selbstreflektiert und wollen ihren Horizont erweitern.
Ich habe gelesen, dass Achtsamkeit sogar unsere Gesundheit beeinflusst...
Steca: Es gibt zahlreiche Studien dazu: Forscher haben herausgefunden, dass 80 Prozent unserer täglichen Gedanken negativ sind. Meist denken wir dabei an die Vergangenheit oder Zukunft. Und fast alle dieser Gedanken haben wir morgen wieder. Das heißt, wir färben das Hier und Jetzt mit negativen Gedanken aus der Vergangenheit. Viele Entscheidungen für die Zukunft basieren genau darauf.
Martin-Agar: Konkret heißt das: Wenn ich denke, ich kann etwas nicht schaffen, dann ist die Gefahr, dass ich scheitere, tatsächlich höher. Umgekehrt heißt das aber auch: Wenn ich an mich glaube, bin ich eher erfolgreich. In Achtsamkeitsseminaren lernt man, solche negativen Gedankenspiralen zu durchbrechen.

Für Rosa Martin-Agar, Audi-Beraterin Prozessgestaltung und Gründerin einer Audi-internen Community für mehr Achtsamkeit, ist Achtsamkeit mehr als nur eine Modeerscheinung.
Wenn ich für einen Marathon trainiere, habe ich ein klares Ziel vor Augen: 42 Kilometer laufen – dafür muss ich hart trainieren. Was ist mein Ziel bei Achtsamkeit?
Steca: … so gut es geht im Jetzt zu sein. Fakt ist: Unser Gehirn braucht 25 Prozent unserer gesamten Energie. In dem Moment, in dem ich versuche, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, verliere ich Energie. Multitasking ist also ein riesiger Energiefresser. In dem Moment, in dem ich mich fokussiere, spare ich Energie und nutze diese effizienter für neue Aufgaben.
Und wie gelingt das mit Achtsamkeit?
Steca: Die schlechte Nachricht: Das hört sich leichter an, als es ist. Die gute Nachricht: Wir haben diese Fähigkeit in uns. Wir müssen sie nur wiederentdecken. Denn als Kinder waren wir immer im Jetzt. Erst wenn unser Geist sich weiterentwickelt, fangen wir an, uns Gedanken und Sorgen über die Vergangenheit und Zukunft zu machen. Achtsamkeit lässt sich systematisch trainieren.
Martin-Agar: Es geht darum, dranzubleiben. Das war auch unser Impuls, eine Community zu gründen. Sie bietet Mitarbeitern eine Plattform, um sich zu informieren, auszutauschen und zu vernetzen. Martin hat zum Beispiel in Ingolstadt das Konzept „Achtsamkeit in der Mittagspause“ ins Leben gerufen, das an unterschiedlichen Orten an verschiedenen Wochentagen stattfindet.

“Wenn du den Muskel Achtsamkeit trainierst, siehst du, wie deine Lebensqualität steigt.”
Worum geht es bei Achtsamkeit konkret?
Steca: Achtsamkeit ist eine innere Haltung. Aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, sie wie einen Muskel zu trainieren: Atemübungen, Yoga oder Meditation und der sogenannte Body Scan, eine Körperwahrnehmungs-Methode, sind einige davon. Im Grunde kann alles eine Meditation sein, auch das Mittagessen oder dieses Interview.
Achtsam sein – wie fange ich damit überhaupt an?
Steca: Indem du einen bewussten Atemzug machst und versuchst, an nichts anderes zu denken als an den Augenblick. Das dauert nur ein paar Sekunden. Oder nehmen wir die Gehmeditation. Das heißt, ich gehe und bin mir dessen bewusst. Statt kopflos und gestresst zu einem Meeting zu rennen, nehme ich bewusst meine Schritte wahr. Ich spüre zum Beispiel auch die Sonne auf meinem Gesicht.
Martin-Agar: Am Anfang ist es schwierig, sich von den Gedanken zu lösen und herunterzukommen. Doch je öfter man es macht, desto schneller ist man „drin“ und desto mehr kann es gelingen. Irgendwann ist es wie beim Joggen. Je mehr du läufst, desto fitter bist du und desto mehr Spaß hast du daran, weiterzumachen. Wenn du den Muskel Achtsamkeit trainierst, siehst du, wie deine Lebensqualität steigt.

Für Martin Steca bedeutet Achtsamkeit, den Menschen zu stärken. Ein Body-Scan hilft, mehr Bewusstsein für den eigenen Körper zu erreichen.
Was kann das Thema Achtsamkeit im Beruf langfristig für Audi bedeuten?
Steca: Ich bin überzeugt, dass es einen wichtigen Beitrag für unsere Zukunftsfähigkeit leistet. Audi hat das Thema bereits für sich erkannt. Die Audi Akademie bietet zum Beispiel gerade das Pilotprojekt „Achtsamkeit und Resilienz im Arbeitsalltag“ für Führungskräfte und Mitarbeiter an. Wichtig ist: Es geht dabei nicht darum, nochmal drei Prozent mehr rauszuholen, sondern den Menschen zu stärken. Für mich ist die Essenz: Sich mit einem klaren Geist auf die wichtigen Dinge zu fokussieren. Doch Achtsamkeit hat noch viele weitere positive Effekte. Sie aktiviert unsere Kreativität, stärkt die emotionale Intelligenz und Kooperationsfähigkeit und verbessert unsere Intuition.
Wie erreicht man Achtsamkeit im Berufsalltag?
Morgens Zeit nehmen
Kurze Spaziergänge, Beobachten von Natur oder ein ruhiges Frühstück sorgen für den idealen Start in den Tag.
Im Hier und Jetzt sein
Jede kurze Gelegenheit nutzen, um simple Dinge wie den eigenen Atem, eigene Gedanken oder die Natur intensiv wahrzunehmen.
Pause machen
Pausen zum Durchatmen nutzen und nicht dafür, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen und abzulenken.

Porträts: So integrieren Mitarbeiter Achtsamkeit in ihren Arbeitsalltag
Bruno Borschosch, Gruppenleiter Operative Vorserienlogistik

Bruno Borschosch, Gruppenleiter Operative Vorserienlogistik. Sein Ausgleich zum Arbeitsalltag: zwischendurch bewusst Musik hören oder Spazieren gehen.
Um 4:30 Uhr klingelt der Wecker. Bruno Borschosch schleicht ins Wohnzimmer, öffnet das Fenster. Frische Luft strömt in seine Lunge. Fünf Minuten später sitzt er auf dem Boden und meditiert. Mit geschlossenen Augen, langen Atemzügen genießt er die Stille. „Vor zwei Jahren hätte ich darüber noch gelacht“, erzählt er.
Heute ist seine Morgenroutine für ihn der Schlüssel zu mehr Zufriedenheit. „Früher habe ich mich auf der Arbeit oft gestresst gefühlt“, so Borschosch. Er fragte sich, wie erfolgreiche Menschen es schaffen, alles unter einen Hut zu bekommen und gleichzeitig glücklich zu sein. Seine Recherche führte ihn zu Achtsamkeit. Sein Tipp: „Ich habe eine Liste mit Dingen, die mich positiv stimmen, wenn ich schlecht drauf bin.“ Das kann Musik, ein Spaziergang oder ein gutes Gespräch sein. Borschosch ist überzeugt: „Wir sind meist zu verkopft und spüren zu wenig. Wenn wir weniger denken, geben wir Mut, Empathie und Kreativität mehr Raum. Und das brauchen wir, um Audi voranzutreiben.“
Bernd Wozniak, Leiter Technik Montagen

Bernd Wozniak, Leiter Technik Montagen, nahm am Pilotseminar „Achtsamkeit und Resilienz für Führungskräfte“ teil.
Häufig schließt im Arbeitsalltag ein Termin an den anderen an. Da bleibt keine Zeit, zwischendrin mal durchzuatmen oder das Meeting zu reflektieren. Für Bernd Wozniak war das ein Grund, an dem Pilotseminar „Achtsamkeit und Resilienz für Führungskräfte“ teilzunehmen. „Ich bin auf der Suche nach der Lösung, wie wir in unserem Arbeitsalltag besser mit Stress umgehen“, sagt Wozniak. „Dabei stehe ich erst ganz am Anfang und teste verschiedene Übungen.“ Im Seminar gibt es beispielsweise verschiedene Bausteine, unter anderem einen Entschleunigungstag, Meditationsübungen oder Atemtechniken. „Achtsamkeit ist ein Prozess, der einfach dauert. Es ist nicht so einfach wie das Lernen von Vokabeln oder Matheformeln.“ Sein Ziel: mehr Gelassenheit, mehr Fokussierung, mehr Reflektion – und das natürlich auch für sein ganzes Team.
Karin Schwarz, Leiterin für Optimierungsprozesse und Qualifizierung

Karin Schwarz, Leiterin für Optimierungsprozesse und Qualifizierung, setzt auf Konzentration und feste Zeitblocker.
Dienstag, 8:30 Uhr. E-Mail-Zeit für Karin Schwarz. Hochkonzentriert liest und schreibt sie Mails – genau eine halbe Stunde lang. „Wie oft nimmt man sich vor, fokussierter zu arbeiten, ruhiger zuzuhören, nicht von einem Thema zum anderen zu springen?“, sagt Schwarz und lächelt. „Die Herausforderung ist, das im Alltag umzusetzen.“ Drei feste Mail-Blocker täglich sind ein erster Impuls aus dem ersten Achtsamkeits-Seminar bei Audi. „Als Leiterin gebe ich 100 Prozent für mein Team. Als zweifache Mutter gebe ich 100 Prozent für meine Familie. Das geht nur, wenn ich beides ganz bewusst mache, einen klaren Blick für die wichtigen Dinge habe und aufmerksam gegenüber anderen bin.“ Schwarz schließt ihr Mailpostfach und geht – ganz bewusst und ohne Eile – zum nächsten Termin.