Am Steuer des Champions

Die Nacht vorher

Zugegeben: Die Nacht ist, vorsichtig ausgedrückt, daneben. Die freundlichen Menschen von Audi Sport haben mir am Abend vorher ein 14-seitiges Pamphlet in die Hand gedrückt, in dem steht, wie man das Auto zerstören kann, wenn man etwas falsch macht. Kurz zusammengefasst: Vermeide Vibrationen jedweder Art. Denn ein Vierzylinder-Turbo ist längst nicht so laufruhig wie der V8 aus den vergangenen Jahren. Also: Am besten nie unter 6.000 Umdrehungen fahren. Nie mit offener oder schleifender Kupplung zwischen 3.700 und 4.200 Umdrehungen agieren. Falls doch nötig, den Pit Limiter nutzen.

Nächste Warnung: Nie losfahren bei Halbgas – entweder Fuß ganz vom Gaspedal oder Full Throttle. In der Pitlane die Kupplung nur bei weniger als 3.300 Umdrehungen treten. Und wenn du anhältst, Kupplung treten, Neutral-Knopf auf dem Lenkrad drücken, dann linkes Shift-Down-Paddel ziehen. Ansonsten auf die Funkansagen achten. Besonders in Sachen Pit Limiter und ALS – das ist die Funktion, die das Turboloch mit elektronisch hochgehaltenen Drehzahlen überbrückt. Falsch angewendet, kann sie den Abgasstrang überhitzen und – selbstverständlich – viel zerstören. Ich sag’s ja: Ich habe schlecht geschlafen.

Die Vorbereitung

Das Erste am Morgen ist wieder Papier, mehrere neue Merkzettel. „Unterschrift, bitte!“ Würde ich das alles durchlesen, hätte ich wohl keine Zeit mehr zum Fahren und wohl noch mehr Respekt vor diesem technischen Hochleistungsfahrzeug namens Audi RS 5 DTM. Also Enthaftung signieren und ab zur Sitzprobe.

Passt gar nicht schlecht. Den Hinweis, ich solle mit dem linken Fuß bremsen, weil Brems- und Gaspedal sehr nahe beieinanderstehen, nehme ich hin, aber nicht ernst – würde ich jetzt damit anfangen, säße ich wohl schon in der ersten Kurve im Kies. Also mich und andere beruhigen mit „Das geht schon“ oder so. Rein in die feuerfeste Unterwäsche, den Overall. Den Hals- und Genickschutz H.A.N.S., Helm mit Kopfhörern und Handschuhe kommen zum Schluss. Davide Maino ist mein Renningenieur. Ihn habe ich allzeit im Ohr, der Italiener gibt die Anweisungen. Alles klar? Ich sage „ja“ und meine „na ja“…

Das Einsteigen

Wenn DTM-Champion René Rast sein Arbeitsgerät entert, sieht das elegant, flüssig, alltäglich aus. Ich dagegen würde am liebsten alle bitten, sich bei meinen Einstiegsbemühungen umzudrehen. Der Sicherheitskäfig und der sehr hoch liegende Schweller minimieren den Platz zum Reinschlängeln deutlich. Aber René ist ganz Gentleman, klickt das Lenkrad ab, und so geht es etwas besser – auch wenn ich erst mal mit dem H.A.N.S. am Dachholm hängen bleibe.

Irgendwann sitze sogar ich in der Rennschale – recht tief trotz Kissen. Gefühlt liegt der sichtbare Horizont an der höchsten Stelle der Fronthaube. Natürlich ist das dem möglichst niedrigen Schwerpunkt geschuldet. Und obwohl ich kein SUV-Fan bin, würde ich lieber höher kauern. Rast reicht mir das Lenkrad ins Auto, beim Befestigen macht es „klick“ – und dann „klack“, denn die Mechaniker schließen die linke Tür.

Ganz einsam bin ich aber nicht. Ich kann ja mit Davide kommunizieren. „Tires to the car“, weist er seine Kollegen an. Die Mechaniker des Audi Sport Team Rosberg packen die auf etwa 60 Grad vorgewärmten Regenreifen aus und montieren sie sekundenschnell. Es rappelt, es wackelt. Dann wird aus den Leitungen zu den aus- und einfahrbaren Stempeln die Luft abgelassen. Der Audi RS 5 DTM hat jetzt mit all seinen vier Rädern Bodenkontakt. Das DTM-Meisterauto 2019 ist startbereit. Es wird ernst.

Die Testfahrt

Starterknopf drücken, Kupplung langsam kommen lassen, kein Gas geben, noch mal anhalten: Ein Mechaniker prüft, ob das Kühlwasser die richtige Temperatur hat. Daumen hoch – jetzt liegt die Verantwortung bei mir. „Pit Limiter on“, funkt Davide. Am Ende der Boxengasse dann: „Pit Limiter off“. Und jetzt: „Have fun!“

Zum Glück befolge ich Davides Rat und gebe nach Ausschalten des Pit Limiters nicht gleich Vollgas – denn das hätte mindestens einen peinlichen Dreher nach einer halben Sekunde freier Fahrt bedeutet. Also langsam angehen lassen – schon meldet sich Davide über die Helmkopfhörer: „ALS on!“ Ich aktiviere das Anti-Lag-System. Jetzt kann es richtig losgehen.

Losgehen? Reine Untertreibung. Das Streicheln des Gaspedals entlädt sich im Losstürmen – 610 PS bedeuten rund 100 PS mehr als in der vorhergehenden V8-Variante des Audi RS 5 DTM, und der aktuelle Wagen wiegt trotzdem nur 986 Kilo. Der „Sprint in 2,8 Sekunden“ ist nicht mehr als eine technische Angabe. Den Sprint im Auto zu erleben ist fast überirdisch. Dieser Tourenwagen-Prototyp beschleunigt so unfassbar schnell. Die Angst, die dieser Power-Vulkan einem Amateur machen kann, ist schon längst hinter der gerade durchzischten Kurve verschwunden, bevor sie wirkt, und läuft somit wunderbar ins Leere.

Allein der erste Gang lässt sich bis etwa 100 km/h ziehen. Leider ist die Gerade gefühlt dann auch schon zu Ende. Profis schaffen auf dem Hockenheimring an bestimmten Streckenabschnitten auch schon mal den sechsten Gang. Ich nicht. Stufe fünf ist das höchste der Gefühle. Und auch die reize ich nicht voll aus. Was allerdings nicht nur an meinem Amateurstatus liegt, sondern an feuchten Stellen auf der Piste, denen ich mit viel Respekt begegne. Zumal die grimmige Herbstkälte die profilierten Laufflächen der Regenreifen partout nicht richtig warm werden lässt.

Kaum habe ich mich endlich halbwegs den akzeptablen Bremspunkten und der persönlichen Ideallinie angenähert, habe ich Davide im Ohr: „Box, Box!“ Fast professionell finde ich den Funkknopf und antworte lässig wie René im Rennen „Copy“. Vergesse dabei aber fast, wie schnell ich bin und dass der nächsten Kurve meine Ablenkung völlig egal ist. Aber auf die Bremsen ist Verlass, und mein Respekt vor den professionellen Piloten wächst sekündlich: Die beherrschen nicht nur diese Hightech-Autos perfekt, sondern finden auch noch bei Nässe die Stellen mit Grip (das ist nicht im Simulator erlernbar!), kämpfen gleichzeitig mit zig anderen um den Sieg, unterhalten sich – wenn nötig – an jedem Punkt des Kurses mit ihren Renningenieuren, verstellen bei Bedarf die Bremsbalance und so weiter und so weiter.

Das Einzige, was die Profis nicht immer tun, aber ich: das Auto unbeschadet in die Box zurückzubringen. Einerseits soll es in der nächsten Saison wieder eingesetzt werden, andererseits hat René mir verraten, dass die Mechaniker mit Herzblut an diesem neuen automobilen Champion hängen: „Die lassen innen kein Staubkorn zu und außen polieren sie sofort jeden Kratzer weg …“

Die Nachbesprechung

Geschafft! Auto gesund, ich gesund, alle happy. René Rast nimmt nach meinem Testausflug wieder sein Lenkrad entgegen. Wie es war? Na gigantisch! Fast schon elektrisierend. Und vibrierend – denn, so fällt mir jetzt wieder ein, mein linkes Bein „wanderte“ ständig: Da ich es aus Platzmangel nicht links neben dem Kupplungspedal abstellen konnte (und es natürlich verboten ist, es auf dem Kupplungspedal zu positionieren), habe ich es auf dem Fahrzeugboden platziert. Der aber erzitterte unter den hohen Frequenzen dermaßen, dass ich das Gefühl bekam, das Bein würde ganz von alleine wandern. „Stimmt,“ gibt mir Rast recht, „die Schwingungen sind deutlich zu spüren. Vielleicht parke ich deshalb immer mal wieder meinen linken Fuß auf dem Gasfuß im Rennen …“ Was er übrigens im Cockpit nicht bemerkt und erst durch Fernsehaufnahmen realisiert hat.

Die Nacht danach

Kurze Rede, langer Sinn: So gut habe ich ewig nicht mehr geschlafen …
RS 5
DTM



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