Seit dem 1. April 2021 sind Sie Mitglied des Vorstands der AUDI AG und verantworten das Ressort Finanz und Recht. Welche Bilanz ziehen Sie nach einem Jahr?
Für mich war das ein sehr spannendes Jahr: mein Wechsel nach Ingolstadt, ein neues Umfeld, ein komplett neues Team und direkt große Herausforderungen. Die Halbleiterkrise hat meine Arbeit ab dem ersten Tag in Ingolstadt geprägt. Sie hat das finanzielle Steuern des Unternehmens sehr anspruchsvoll gemacht. Wir mussten die Produktion mehrfach stoppen und konnten die hohe Nachfrage unserer Kund_innen nicht vollständig bedienen. Doch wir haben erfolgreich gegengesteuert. Darüber hinaus haben wir viele wichtige Projekte unter anderem zur Steigerung unserer Rentabilität gestartet, die einen Grundstein für unseren zukünftigen finanziellen Erfolg legen. Hier hat mein Team einen wahren Kraftakt geleistet und bewiesen, wie sehr es für die Marke Audi brennt.
Audi will ab dem Jahr 2030 mehr als 11 Prozent Operative Umsatzrendite erwirtschaften. Welche Investitionen sind dafür notwendig?
Wir haben uns mit der Strategie „Vorsprung 2030“ viel vorgenommen. Das Rückgrat für Verkaufs- und Renditeziele ist ein innovatives und attraktives Produktportfolio. Daher haben wir unsere Investitionen in der Ende des Jahres vom Aufsichtsrat genehmigten Investitionsplanung nun noch mal erhöht. Bis zum Jahr 2026 plant der Audi Konzern Forschungs- und Entwicklungsleistungen sowie Sachinvestitionen von insgesamt rund 37 Mrd. EUR. Allein 18 Mrd. EUR entfallen dabei auf Elektrifizierung und Hybridisierung. Vorrangig werden wir unser elektrisches Portfolio weiter ausbauen, sodass wir in 2027 in allen Kernsegmenten E-Modelle anbieten können. Ein Teil der Investitionen fließt dabei auch in das Kooperationsunternehmen für lokale Elektromobilproduktion mit FAW-Volkswagen in China.
Sie sprechen von großen Investitionen für die kommenden Jahre. Wie wollen Sie diese Investitionen stemmen?
Dazu nutzen wir zwei Hebel: Einerseits fokussieren wir auf die Profitabilität aktueller und zukünftiger Produkte, optimieren weiter unsere Fixkosten und steigern damit die langfristige unternehmerische Performance. Zweitens nutzen wir wo immer möglich und sinnvoll Synergien im Konzern mit gemeinsamen Elektronik- und Antriebsplattformen sowie der gemeinsamen Softwareentwicklung mit CARIAD.
ESG bildet eine wichtige Säule der Strategie „Vorsprung 2030“. Was bedeutet das für Audi?
Ich bin davon überzeugt: Wirtschaftlicher Erfolg und nachhaltiges Unternehmertum gehören zusammen wie zwei Seiten einer Medaille. Wir als Unternehmen tragen eine besondere Verantwortung für unsere Umwelt und die Gesellschaft. Und das müssen wir auch in allen Produkten und Prozessen leben. Denn unsere ESG-Performance steht stellvertretend für die Zukunftsfähigkeit von Audi – bezüglich der Erfüllung von Gesetzen, eines fundamental veränderten Kundenverhaltens sowie der finanziellen Bewertung. Aus diesem Grund haben wir ESG-Kriterien fest in unserer Strategie „Vorsprung 2030“ verankert. Aber: Es gibt keine Blaupause. Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden. Das tun wir. Für uns geht ESG über reine Maßnahmen zur CO₂-Reduzierung hinaus, wir betrachten es im Unternehmen ganzheitlich. Zur weiteren Verankerung in unseren Prozessen führen wir ein ESG-Managementsystem ein. ESG soll in allen Unternehmensentscheidungen, Produkten und Dienstleistungen von Audi eine Rolle spielen. Unsere ESG-Performance werden wir auch von einer unabhängigen Ratingagentur messen lassen.
Audi führt die Markengruppe mit Lamborghini, Bentley und Ducati. Welche Vorteile sehen Sie in der neuen Markengruppensteuerung?
Mit der neu formierten Markengruppe haben wir ein neues Steuerungsmodell etabliert. Damit nimmt Audi eine noch wichtigere Rolle im Volkswagen Konzern ein. Hiermit haben wir in vielen Bereichen die Möglichkeit, Entscheidungen zu beschleunigen, indem wir sie direkt und final auf Ebene der Markengruppe treffen. Das macht uns effizienter. So können wir Synergien vor allem in den Bereichen Elektronik und Plattformen optimal nutzen. Gleichzeitig werden wir mit der Markengruppensteuerung auch die Transparenz steigern, indem wir ausgewählte Performance-Kennzahlen sowie strategische Ziele der Marken Audi, Lamborghini, Bentley und Ducati extern ausweisen.
Neue digitale Geschäftsmodelle werden in Zukunft immer wichtiger für die Automobilindustrie. Wie weit ist Audi in diesem Bereich fortgeschritten und was verändert sich damit für Ihr Ressort?
Wir sehen eine deutliche Verschiebung von Profit Pools in Richtung Digitalisierung, vor allem mit dem Einsatz des automatisierten Fahrens in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts. Das Auto der Zukunft wird zum digitalen Device. Diese Potenziale müssen wir nutzen, indem wir unsere Kund_innen zukünftig über den gesamten Lebenszyklus begleiten und das Fahrzeug immer aktuell halten, etwa über Software-Updates. Wir wissen, wir haben hier noch einen guten Weg vor uns. Jedoch haben wir die richtigen Weichen gestellt, vor allem mit der Bündelung unserer Softwarekompetenz bei CARIAD.