Ingolstadt
Compliance und Integrität bilden das Navigationsgerät für Unternehmen
Key Facts
- Seit über drei Jahren arbeitet Audi gemeinsam mit US-Monitor Larry D. Thompson daran, Compliance und Integrität zu stärken
- Die sechs Vorstände der Vier Ringe haben nun einen Plan in Form persönlicher Verpflichtungserklärungen vorgelegt
- Audi stärkt damit nachhaltig und konsequent das Themenfeld ESG

Frau Maaßen, Herr Große-Loheide –
Sie sind beide im April neu im Audi Vorstand gestartet und haben sofort die Themen Integrität und Unternehmenskultur auf Ihre Agenda gesetzt. Warum?
Sabine Maaßen: Die Wahrung von Recht und Gesetz, die Achtung von moralischen und sozialen Werten und gesellschaftlich anerkannten Normen bilden die Basis guten Zusammenarbeitens und -lebens; im wirtschaftlichen wie im privaten Kontext. Ich bin mit dem Ziel gestartet, dass unsere Kunden, unser soziales Umfeld und unsere Mitarbeiter die Vier Ringe ebenso mit Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit verbinden wie mit emotionalen Produkten – denn Vertrauen ist unser höchstes Gut. Und so stärken wir unsere Glaubwürdigkeit und schützen den Ruf unserer Marke.
Dirk Große-Loheide: Als Vorstandsteam wollen wir die Voraussetzungen für erfolgreiches Handeln weiterhin frühzeitig erkennen und damit die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens sichern. In diesen unsicheren Zeiten ist das nicht immer leicht, doch bei transparenter Unternehmensführung sind wir sechs Vorstände uns alle einig!
Für mich heißt Integrität vor allem: Wort halten und zu den eigenen Taten stehen. Aufrichtigkeit und Offenheit – diesen Anspruch habe ich an mich selbst und das erwarte ich auch von jedem einzelnen Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin bei Audi.
Das Monitorship bei Audi unter Larry Thompson endet im September. Wie geht es danach für Audi bei Compliance und Governance weiter?
Dirk Große-Loheide: Wir Vorstände – und damit meine ich alle meine Kolleginnen und Kollegen – haben uns persönlich zu bestimmten Maßnahmen verpflichtet, die wir in unserem eigenen Geschäftsbereich angehen werden. Als Beschaffungsvorstand steht bei mir unter anderem die Nachhaltigkeit in der Lieferkette ganz weit oben auf der Prioritätenliste, die mein Team und ich gemeinsam mit unseren Zulieferern vorantreiben. Wir haben beispielsweise mit dem „S-Rating“ ein Nachhaltigkeitsrating eingeführt, das inzwischen konzernweit Grundlage für eine Auftragsvergabe ist. Das S-Rating prüft die Einhaltung von Standards in Umwelt, Sozialem und Compliance – wir erwarten von unseren Partnern, dass sie unsere Werte teilen.
Sabine Maaßen: Die persönliche Verpflichtungserklärung ist ein richtiges und wichtiges Zeichen! Wir als Führungskräfte sind Vorbilder nach innen und außen. Das Monitorship war Teil unserer Vergleichsvereinbarungen mit der US-Regierung im Zuge der Dieselkrise. Zugleich ist es uns ein wertvolles Instrument, um neue Impulse von außen zu erhalten, und hat die Basis für einen groß angelegten Veränderungsprozess geschaffen. So sind wir beispielsweise künftig viel besser in der Lage, Fehlverhalten frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen abzuleiten. Mit Together4Integrity haben wir aber auch ein konzernweites Integritäts- und Compliance-Programm verankert, das weit über die Zeit des Monitorships hinausgeht. In den persönlichen Erklärungen haben wir dargelegt, wie wir die Zukunft von Audi gemeinsam gestalten und vor allem wofür wir (ein)stehen.
Ein Großunternehmen, das über 90.000 Mitarbeiter beschäftigt und weltweit agiert – wie stellen Sie sicher, dass rechtliche Vorgaben überall eingehalten werden?
Sabine Maaßen: Natürlich braucht es klare, verbindliche und transparente Regeln, deren Nichteinhaltung Konsequenzen hat. Die Basis unseres Handelns bilden unsere
Audi Verhaltensgrundsätze. Sie legen die wesentlichen Prinzipien fest, die für die tägliche Arbeit in unserem Unternehmen gelten. Organisatorisch bauen wir auf drei starke Säulen: erstens die konsequente Qualifizierung unserer Mitarbeiter zu den Themen Compliance und Integrität, damit diese Compliance-Verstöße frühzeitig erkennen und melden können. Außerdem klare, transparente Regelungen und Prozesse sowie abschließend wirksame Kontrollmechanismen. Wir haben in diesem Sinne beispielsweise den Aspekt Integrität in das Einstellungsverfahren und in die Personalentwicklung für Führungskräfte aufgenommen. Zudem sollen Führungskräfte aktiv über ihre Vorbildrolle gezielt das richtige Verhalten von Mitarbeitern fördern und fordern.
Das klingt nach viel Arbeit. Gleichzeitig hat Audi eine volle Agenda, auf der Themen wie automatisiertes Fahren oder Elektrifizierung stehen. Bleiben bei dem hohen wirtschaftlichen Druck weiche Themen wie Integrität oder Kulturwandel nicht manchmal auf der Strecke?
Sabine Maaßen: Kultur und Haltung sind kein beiläufiges „Nice-to-have“. Nur wenn die Kultur stimmt, können wir nachhaltig und erfolgreich wirtschaften, Potenziale unserer Teams ausschöpfen und schlussendlich Vorsprung leben. Eine starke, von allen getragene Unternehmenskultur ist wie der Motor eines Autos: Alle Komponenten können einzeln noch so stark sein, aber ohne ihn kommt man nicht voran. Integres Verhalten ist unsere Navigation und gibt die richtige Richtung vor.
Dirk Große-Loheide: Wirtschaftlicher Erfolg und eine gute Unternehmenskultur bedingen sich gegenseitig. Integrität und Compliance als fest verankerte Bestandteile der Unternehmensstrategie und -kultur werden zukünftig einer der entscheidenden Wettbewerbsvorteile sein. Langfristig wird meines Erachtens nur das Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich sein, das diese Themen in den Fokus stellt.
Sabine Maaßen: Man darf nicht vergessen: Auch im Großunternehmen beginnen die wichtigen Dinge bei jedem Einzelnen. Um den Kulturwandel und die Transformation nachhaltig zu gestalten und stetig voranzutreiben, haben wir geschäftsbereichsübergreifend verpflichtende Qualifizierungsprogramme für das Management aufgesetzt und Kulturinitiativen initiiert. Es setzt durch gezielte Maßnahmen die Bereitschaft für Veränderung voraus, fordert Verbindlichkeit zu konkreten Handlungsmaßnahmen von jedem Teilnehmer persönlich ein und fördert damit so schlussendlich den Aufbau einer neuen Leadership-Kultur.

Das Wort Kulturwandel hört man immer öfter! Warum braucht es überhaupt einen Wandel?
Dirk Große-Loheide: Kultur ist die DNA unseres Unternehmens. Sie spiegelt wider, wie wir als Team zusammenarbeiten – und das an 16 Standorten überall auf der Welt. Haltung allein genügt nicht mehr, was zählt, ist unser Verhalten. Da bin ich ganz beim Sport: Wer unfair spielt, hat nur kurzfristig Erfolg. Wir kennen unsere traditionellen Stärken, doch für eine erfolgreiche Zukunft brauchen wir auch neue Eigenschaften. Audi hat eine lange Geschichte und ist ein traditionsreiches Unternehmen, das sich zum digitalen Mobilitätsanbieter transformiert. Genauso wandeln wir uns in anderen Bereichen: Wir können und wollen unsere Unternehmenskultur nicht einfach belassen, wie sie war.
Sabine Maaßen: Wandel bedeutet ja vor allem, Dinge anders zu machen als bislang. Aber niemand ist fehlerlos, daher brauchen wir ebenso eine Kultur, in der es von Stärke zeugt, aus Fehlern zu lernen. Offenheit und Aussprechen von bislang Unaussprechlichem aus Angst oder Zweifel – die neue Speak-up-Kultur ist für mich das zentrale Element dieser Gleichung. Mit unserer Veranstaltungsreihe „Try.Fail.Learn“ etwa motivieren wir unsere Mitarbeiter, Mut zu haben, eigene Fehler zu akzeptieren und zu reflektieren.
Dirk Große-Loheide: Audi trägt den Anspruch „Vorsprung“ im Slogan, und das heißt auch: den Mut haben, vorauszufahren und Pfade zu betreten, die noch nicht ausgetreten sind.
Die Unternehmenskultur kann sich nur ändern, wenn es der Unternehmensführung gelingt, alle Audianer bei diesem Schritt mitzunehmen und gleichzeitig selbst tätig zu werden. Wie kann so viel auf einmal gelingen?
Dirk Große-Loheide: Wir blicken nach vorne und hängen nicht Vergangenem nach. Das Audi Role Model Program ist für mich ein solch starkes Signal, auch für die Mitarbeiter. Hierbei handelt es sich um ein verpflichtendes konzernweites Programm für den gesamten Vorstand und alle Manager mit Führungsverantwortung. Diese führen gemeinsam mit ihren Teams jährlich Maßnahmen aus dem Role Model Program durch, um im Kulturwandel als Vorbild voranzugehen …
Sabine Maaßen: … denn für die Vier Ringe arbeiten weltweit 90.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jeder einzelne Audi wird von Menschen gebaut, deswegen hat auch jeder und jede eine Vorbildfunktion für sein bzw. ihr Umfeld. Da stehen alle in der Verantwortung, wir im Vorstand und jeder Audianer. Durch Mitarbeiterbefragungen wie das Stimmungsbarometer erfahre ich zusätzlich direkt aus dem Team, ob die von uns initiierten Maßnahmen auch greifen und wo wir im Kulturveränderungsprozess stehen.
Was ist Ihnen bei diesem Wandel am wichtigsten?
Sabine Maaßen: Unser Ziel ist es langfristig, Employer of Choice zu sein. Dabei spielt die interne Arbeitgeberattraktivität eine ebenso große Rolle wie die externe. Ein starkes, motiviertes Team hat große Strahlkraft über die Unternehmensgrenzen hinaus. Besonders herausfordernde Zeiten wie die Coronapandemie machen deutlich, dass es immer Kernaufgabe von uns Führungskräften ist, dauerhafte Veränderung zu gestalten und die Menschen dabei mitzunehmen. Als Vorstand ist man immer Taktgeber und Orientierungsgeber. Vertrauen, gegenseitiger Respekt und Verständnis sind die Grundlagen für erfolgreiche Veränderung. In allen zentralen Personalprozessen liegt der Fokus auf Compliance und Integrität: vom Prozess der Einstellung über Personalentwicklung bis hin zur Vergütung unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Dirk Große-Loheide: Wir verfolgen die Unternehmenswerte „Wertschätzung“, „Offenheit“, „Verantwortung“ und „Integrität“ nachhaltig, konsequent und mit großer Leidenschaft. Denn den Weg zu einem integren, regelkonformen und werteorientiert handelnden Unternehmen können wir nur gemeinsam weitergehen …
Sabine Maaßen: … und mit Ausdauer, denn wir haben keinen Sprint, sondern einen Langstreckenlauf vor uns! Doch der Plan für die Zukunft steht nun mit unseren Verpflichtungserklärungen, und so heißt es für Audi und uns persönlich: Innerer Antrieb statt externe Kontrolle, Selbst- statt Fremdverpflichtung, Wollen statt Müssen.
