Zwei Generationen quattro: Stig Blomqvist und Mattias Ekström im Interview

Das Audi Driving Experience Center in Neuburg an der Donau. Auf der Teststrecke quietschen die Reifen, ein e-tron S driftet mit irrer Geschwindigkeit durch die Kurven. Am Steuer sitzt ein Herr mit weißem Haar und freundlichem Lächeln. Gestatten: Stig „Mäster“ Blomqvist, Teilnehmer an 122 Weltmeisterschaftsrallyes, 11 Siege, 1 Rallye-Weltmeistertitel. Und er hat den Fuß immer noch auf dem Gaspedal. Als er aussteigt, begrüßt er den 30 Jahre jüngeren Mattias Ekström – langjähriger DTM-Fahrer und Rallycross-Weltmeister. Die beiden treffen sich zum 40-jährigen Jubiläum des quattro – und haben einige Anekdoten zum legendären Allradantrieb parat:

Weltmeister unter sich: Vertraut unterhalten sie sich zu ihren Anfängen in einem Audi mit quattro-Antrieb.
Wann saßt ihr das erste Mal in einem Audi mit quattro-Antrieb?
Blomqvist: Das war 1982 und gleichzeitig auch mein erstes Mal bei Audi in Ingolstadt. Damals war das Audi-Gelände noch etwas kleiner [lacht]. Freddy Kottulinsky [Rennfahrer und Dakar-Sieger (1932-2010); Anm. d. Red.] nahm mich mit in den Ur-quattro [Audi A2 quattro; Anm. d. Red.] und ich fuhr den Wagen dort das erste Mal. Es war ein ganz neues Gefühl, den Allradantrieb zu spüren. Ich liebte die Power des Autos von Beginn an.

Der Altmeister im Ur-quattro: Stig Blomqvist erzählt Mattias Ekström vom verschneiten Rennen in Monte Carlo 1984.
Ekström: Das erste Mal saß ich Anfang der 1990er in einem quattro. Ich war 14 oder 15 Jahre alt und bin mit dem damaligen Freund meiner Schwester mitgefahren. Er hatte den kaputten Ur-quattro von meinem Vater gekauft und ihn wiederhergerichtet. Ich kann mich noch erinnern: Die Beschleunigung war absolut verrückt und der Sound einfach überwältigend!
Das erste Mal gefahren bin ich dann im Audi A4 quattro bei der Swedish Touring Car Championship (STCC) 1999. Das hat richtig Spaß gemacht. Das Auto war wild, hatte sehr viel Grip und beschleunigte wahnsinnig schnell. Ich habe mich im quattro mutiger und besser gefühlt, als ich eigentlich damals war.
An welche Ereignisse in einem Audi mit Allradantrieb erinnert ihr euch am liebsten zurück? Was ist euer ganz besonderer quattro-Moment?
Blomqvist: Das war definitiv das Rennen in Monte Carlo 1984. Es hatte geschneit und die Fahrbahn war glatt und rutschig. Und ich wie meine Team-Kollegen Walter Röhrl und Hannu Mikkola im Ur-quattro – damals das einzige Auto mit Allradantrieb. Die anderen Fahrer hatten enorme Probleme. Sie schlitterten und es trug sie teilweise aus den Kurven. Wir haben einen Triple-Sieg [Röhrl vor Blomqvist und Mikkola; Anm. d. Red.] mit 25 Minuten Vorsprung auf den Vierten errungen. Niemand konnte den quattro bei solchen Verhältnissen schlagen! Das war damals echt eine super Zeit und ich bin dann auch Weltmeister geworden. Das war einer der größten Momente meines Lebens. Mit dem Ur-quattro habe ich eine echte Verbindung aufgebaut.
Rallye-Weltmeisterschaft 1984


Ekström: Meine stärkste Verbindung habe ich zum Audi S1 EKS RX quattro, mit dem ich 2016 Rallycross-Weltmeister geworden bin. Das war der beste quattro, den ich je gefahren bin. Ich habe bei dem Rennwagen auch selbst mitentwickelt. Das hat unheimlich viel Spaß gemacht. Das Originalauto habe ich verkauft. Aber ich kenne den Inhaber und bin es vergangenen Jahr nochmal gefahren. Vielleicht kaufe ich es in ein paar Jahren wieder zurück. [lacht]
Rallycross-Weltmeisterschaft 2016


Der neue Audi e-tron S hat auch einen quattro-Antrieb. Wie fühlt sich das in einem Elektroauto an?
Blomqvist: Es ist fantastisch. Ich hätte nicht gedacht, dass sich der e-tron S wie ein quattro anfühlt. Aber sonst sind Verbrenner und Elektroautos sehr unterschiedlich. Der e-tron S ist viel geschmeidiger und deutlich einfacher als die quattro-Modelle von damals mit Verbrennungsmotor zu fahren. Und natürlich leiser. [schmunzelt]

quattro in neuem Gewand: Der Prototyp e-tron S findet perfekte Balance mit der neuen Torque Vectoring Technik.
Ekström: Das ist ein Weltenunterschied zwischen einem Verbrenner und einem Elektroauto. Die Elektroautos sind zum Beispiel deutlich schwerer. Als Rennfahrer sage ich immer: Je leichter, desto mehr Spaß macht das Fahren! Aber in der Akku-Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren sicherlich einiges tun. Außerdem bin ich mit dem Fünf-Zylinder aufgewachsen, daher fehlt mir der Sound. Aber vielleicht hole ich mir eine Playlist mit 5-Zylinder-Sound, den ich während des Fahrens höre. [lacht]
Der e-tron S besitzt die dynamische Momentenverteilung zwischen den beiden E-Motoren an der Hinterachse – das neue Torque Vectoring. Was zeichnet es aus?
Blomqvist: Der Torque Vectoring ist fantastisch. Das Handling ist perfekt und in den Kurven bleibt der Wagen stabil. Man hat immer die Kontrolle. Das Auto überträgt alle Fahrmanöver sehr schnell. Da ist sofort Power da! Zusammengefasst: Das Gefühl eines Sportwagens verpackt in einem SUV.
Ekström: Da stimme ich dir absolut zu, Stig. Es ist schwer vorstellbar, aber man fühlt die Balance zwischen den Rädern. Die Software [Das Torque Vectoring vereint Quersperre und Sportdifferenzial in einem System mit softwarebasierter Regelung ohne mechanische Verbindung; Anm. d. Red.] stellt etwas Magisches mit dem Auto an. Man spürt das höhere Gewicht des Elektroautos kaum, weil die Umsetzung so perfekt ist.
Ihr kennt Euch jetzt schon ein paar Jahrzehnte. Was verbindet euch?
Blomqvist: Wir sind beide aus Schweden und wir sind beide Rallye-Weltmeister. [schmunzelt]
Ekström: Stig ist für mich eine Art Vorbild. Er ist eine lebende Rennfahrer-Legende; und ich habe ihn schon als Kind im Fernsehen fahren sehen. Als ich heute Stig durch die Kurven driften gesehen habe, dacht ich mir: Hoffentlich kann ich das in seinem Alter auch noch. [lacht]

Noch einmal zurück zu den Anfängen des Allradantriebs: Wer von Euch beiden würde ein fiktives Rennen im Ur-quattro gewinnen?
Blomqvist: Einmal sind wir sogar in einem Rennen aufeinandergetroffen. Aber wir sind beide mit einem Unfall ausgeschieden. [lacht] Aber Mattias würde auf jeden Fall gewinnen. Er ist so talentiert und kennt sich auch technisch perfekt mit den Autos aus.
Ekström: [Lacht] In seinen besten Jahren hätte ich keine Chance gegen Stig gehabt. Seinen Ur-quattro kennt er aus dem Effeff. Das ist wie Fahrradfahren für ihn. Das war auch ein anderer Fahrstil damals: Es war schwieriger, man konnte viel mehr Fehler machen. Du musstest dein Auto perfekt kennen und Erfahrung haben. In einem modernen quattro könnte ich ihn vielleicht schlagen. [schmunzelt]

Auf die nächste Generation quattro: Beide Weltmeister sind den Prototypen e-tron S gefahren und zeigten sich vor allem von der schnellen Übersetzung begeistert.
Mattias, das hört sich fast so an, als wärst du auch lieber in den 1980ern gefahren?
Ekström: Ich hätte es definitiv geliebt, in den 80ern zu fahren. Es war alles noch ein bisschen roher. Du hast ganz andere Skills gebraucht. Talent war wichtiger als Disziplin und Technik. Heute musst du superfit sein und dich ausgewogen ernähren. Früher durftest du auch mal Party machen, rauchen und trinken… [lacht] Heute sind die Autos fast wichtiger als die Fahrer.
40 Jahre quattro
