Herr Löser, in der klassischen Diskussion um (technische) Innovationen und wirtschaftliche Disruption spielen Segelschiffe, Schallplatten und Fotofilme eine Rolle. Was haben diese Produkte gemeinsam, und was hat das mit Audi zu tun? Und vor allem – welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Audi Production Lab?
Alle genannten Produkte wurden durch neue Technologien ersetzt. Es sind Beispiele dafür, wie beliebte und zuverlässig funktionierende Produkte, die lange nicht wegzudenken waren, doch durch neue abgelöst wurden, die effizienter arbeiteten, bessere Qualität boten oder günstiger waren. Oft verschwanden mit den ersetzten Fabrikaten auch die Firmen, die sie hergestellt haben. Diese Unternehmen waren so überzeugt von ihrem Produkt und waren so fokussiert auf ihre erfolgreichen Prozesse und Strukturen, dass sie nicht bemerkten, wie neue disruptive Technologien ihre Erzeugnisse allmählich vom Markt drängten. Damit Audi so etwas nicht passieren kann, gibt es einige Abteilungen, die über den Tellerrand hinausblicken und sich mit Innovationen und zukünftigen Entwicklungen beschäftigen. Manche beleuchten dabei die Produkte, andere die Unternehmensstrukturen, und das Audi Production Lab – das wir in der Regel einfach P-Lab nennen – arbeitet an der Optimierung unserer Produktionsprozesse.
Warum bedarf es dafür eines eigenen Labors? Lassen sich neue Ideen nicht einfach in der laufenden Serienproduktion ausprobieren?
Nein, das hätte verheerende Folgen. In unserer Fahrzeugproduktion muss alles großserientauglich sein. Der Prozess funktioniert stabil im Dreischichtbetrieb, und es wird alles dafür getan, um reibungslose Abläufe sicherzustellen. In der Großserie laufen die Prozesse wie am Schnürchen – fehlerfrei zu nahezu 100 Prozent. Nur dann gelten sie als erfolgreich. Das ist die Grundlage für die Strukturkultur der Serienproduktion. Im Gegensatz dazu betreiben wir im P-Lab eine Ideenkultur. Hier kann es passieren, dass von 1000 Versuchen 999 scheitern und erst der tausendste gelingt. In dem Fall sprechen wir auch von einem Erfolg, denn wir haben bewiesen, dass etwas funktionieren kann, also nicht unmöglich ist. Wie unschwer zu erkennen ist, passen diese beiden Erfolgsdefinitionen nicht zusammen. Im P-Lab wirken wir als Reißverschluss zwischen der Struktur- und der Ideenkultur. Wir bringen eine Idee, die einmal unter Laborbedingungen funktioniert hat, auf den Weg, um letztlich auch im 24/7-Betrieb stabil zu laufen.